mit unserem
Newsletter hatten wir Sie
darüber informiert, dass das Urteil des BGH vom 27.04.2021 die mögliche
Unwirksamkeit
von sog. Erklärungsfiktionen in den Raum gestellt hat. Solche Klauseln ermöglichen
prinzipiell, dass der Verwender seine AGB (also auch den Maklervertrag) insoweit einseitig
gegenüber dem Vertragspartner ändern kann, als dass das Schweigen der anderen Partei (Kunde)
als Zustimmung fingiert wird, wenn einer angezeigten Vertragsänderung nicht innerhalb
angemessener Frist widersprochen wird.
Die Bundesrichter stellten in ihrem Urteil, das im Zusammenhang mit Bankverträgen ergangen ist,
klar, dass eine pauschale Erklärungsfiktions-Klausel wenigstens gegenüber Verbrauchern
unwirksam ist, da hierin eine unangemessene Benachteiligung zu erblicken sei. Als Begründung
wurde vor allem darauf abgestellt, dass solche Klauseln dem Grund nach geeignet sind, ganze
Vertragsgefüge einseitig umzugestalten. Dies sei aber nicht mit dem gesetzlichen Leitbild eines
ausgeglichenen Verhandlungsgefüges zwischen den Vertragsparteien vereinbar.
Dies Urteil hat in der Rechtspraxis ein großes Echo erfahren. Schließlich wurden
Erklärungsfiktionen zuvor jahrzehntelang beanstandungsfrei vereinbart und ausgeführt. Sie sind
und waren ein bedeutendes Vertragsinstrument bei der Bewältigung von Massengeschäft. Sie selbst
sind den Auswirkungen des Urteils womöglich schon privat begegnet, indem Sie Post von Ihrer
Hausbank erhalten haben, die neue Wege sucht, um Vertrags- und Bedingungsanpassungen wieder
rechtssicher vornehmen zu können.
Auch wir haben die Erklärungsfiktion zuvor in unseren Mustern, insbesondere auch bei
app-RIORI.de empfohlen. In Reaktion auf das BGH-Urteil haben wir Ihnen nahegelegt, auf
die Möglichkeit der einseitigen Vertragsanpassung zu verzichten und sich insoweit von
etwaigen Unwirksamkeitsrisiken frei zu machen. Natürlich wollen wir aber als Kanzlei bei diesem
Befund nicht stehen bleiben, sondern den Blick nach vorne richten: Wie kann es für diejenigen
unter Ihnen weitergehen, die auf die Möglichkeit der einseitigen Bedingungsanpassung weder
verzichten können noch wollen?
Deshalb haben wir uns die BGH-Entscheidung und die Ausführungen der Bundesrichter auf
verbleibende Gestaltungsmöglichkeiten untersucht. Grundsätzlich stellen die Richter fest, dass
pauschale Erklärungsfiktionen stets dem strengsten Prüfungsmaßstab unterliegen und in der Regel
unwirksam sind. Das BGH-Urteil deutet aber auch an, dass Möglichkeiten der Erklärungsfiktion
verbleiben, wenn „einschränkend-konkretisierende Formulierungen“ gewählt werden. Ausgehend
hiervon lässt sich festhalten,
dass die pauschale AGB-Erklärungsfiktion tot ist, im schlanken Gewand aber vielleicht
weiterlebt.
1. B2C oder B2B?
Zunächst muss berücksichtigt werden, dass das BGH-Urteil im B2C-Bereich ergangen ist. Das
heißt, es darf davon ausgegangen werden, dass Sie als Versicherungsmakler*in im B2B-Bereich
nach wie vor größere Gestaltungsmöglichkeiten haben. Hier sind die bestehenden Klauseln mit
nicht unerheblicher Wahrscheinlichkeit bei den Gewerbekunden immer noch wirksam, da von
gewerblichen Marktteilnehmern eine aktive Überprüfung von Änderungsanzeigen erwartet werden
darf. Das bedeutet, dass Sie die bestehenden Klauseln zur Erklärungsfiktion (auch von
app-RIORI.de) wahrscheinlich änderungsfrei im B2B-Bereich weiternutzen könnten. Bei den
bestehen Maklerverträgen mit Erklärungsfiktion könnten Sie die vereinbarte Handhabung gegenüber
den Gewerbekunden nach wie vor umsetzen. Wir halten die Klausel im B2B-Bereich für wirksam.
Im Hinblick auf die Ausführungen des BGH empfehlen wir aber dennoch ausdrücklich eine
kundenfreundliche Gestaltung, die nach Möglichkeit bereits bei Vertragsschluss die Fälle
vordefiniert, in denen eine Vertragsanpassung möglich ist. Diese können Sie einzelfallabhängig
im Vertragswerk verankern oder ergänzen.
2. B2C
Im B2C-Bereich ist heute klar, dass die Erklärungsfiktion nur noch ganz eingeschränkt gelingen
kann. Der BGH hat zwar eingeräumt, dass das unternehmerische Vereinfachungsinteresse legitim
ist, aber zumeist durch den Verbraucherschutz ausgestochen wird. Es verbleiben nach unserem
Dafürhalten aber Konstellationen, in denen sich die Abwägung so verschiebt, dass die
gegenseitigen Interessen unter Beachtung der vom BGH geforderten einschränkenden
Konkretisierung so ins Lot gebracht werden, dass Erklärungsfiktionen auch gegenüber
Verbrauchern künftig wirksam sein können.
Dies könnte immer dann der Fall sein, wenn die Gestaltung so gewählt ist, dass einerseits
Transparenz und Rechtssicherheit gegenüber dem Kunden gewahrt sind und
andererseits Fiktionen nur dann zur Anwendung gelangen, wenn besonders objektive
unternehmerische Interessen betroffen sind. Daher sind wir der Auffassung, dass
Erklärungsfiktionen wenigstens dann B2C-zulässig sein können, wenn sie der Berücksichtigung von
Rechtsänderungen (Gesetzesänderungen oder Rechtsprechungen) dienen. Auf dieser
Basis haben wir die am Schluss des Newsletters beigefügte Klausel entwickelt, die unter
Umständen der Inhaltskontrolle standhält und daher auch künftig wieder als Option in
app-RIORI.de verfügbar sein soll.
Glücklicherweise sind Versicherungsmakler*innen weniger von Erklärungsfiktionen abhängig als
andere Branchen, weshalb die durch das BGH-Urteil verursachten Probleme in der
Versicherungsvermittlung überschaubar sind. Im Einzelfall kann die Möglichkeit der
Bedingungsanpassung aber wichtig sein, sei es auch nur um rechtlich-notwenige Änderungen
unbürokratisch umzusetzen.
3. Fazit und Vorschlag
Hierzu lässt sich als Fazit festhalten:
-
Im B2B-Bereich können Erklärungsfiktionen im Vertrag nach wie vor in deutlich
größerer Reichweite verwendet werden. Unsere bisherige Klausel Erklärungsfiktion dürfte bei
Gewerbekunden rechtswirksam sein. Hierzu hat sich der BGH noch nicht konkret geäußert. Wir
empfehlen (wenn möglich) künftig vordefinierte Anwendungsfälle einzufügen um den
Anwendungsbereich der Klausel zu konkretisieren.
-
Im B2C-Bereich gegenüber Verbrauchern sind Erklärungsfiktionen nach der BGH
Entscheidung größtenteils unwirksam; bei Beachtung formaler Garantien und eines engen
Anwendungsbereichs in Gestalt der Umsetzung von Rechtsänderungen können entsprechende
Klauseln aber wirksam sein.
Wir würden eine solche Klausel zur Erklärungsfiktion wie folgt erwägen. Diese ist dann sowohl
bei Verbrauchern als auch bei Gewerbekunden voraussichtlich wirksam und hält hoffentlich einer
strengen Bewertung des BGH stand.
Unverbindlicher Vorschlag:
Zustimmungsfunktion:
(1) Der Mandant willigt ein, dass sein Schweigen auf ein Vertragsänderungsangebot, unter
Beachtung der nachgenannten Voraussetzungen, als Zustimmung gilt.
(2) Der Makler kann dem Mandanten nur aus triftigem Grund Änderungen der
Geschäftsbedingungen anbieten. Widerspricht der Mandant den angebotenen Änderungen nicht
innerhalb angemessener Frist, so gilt das Schweigen des Mandanten ausnahmsweise als
Zustimmung.
(3) Ein triftiger Grund liegt vor, wenn Regelungen dieses Vertrags direkt oder mittelbar
durch eine Rechtsänderung (Gesetzesänderung, Neuregelung oder Rechtsprechung) betroffen sind
oder sich durch eine Rechtsänderung nachträglich eine Regelungslücke im Vertrag ergeben
hat.
(4) Der Makler zeigt dem Mandanten die angebotenen Änderungen in Textform unter Nennung des
Zeitpunkts des Wirksamwerdens an. Der Makler übermittelt dem Mandanten die Änderungsanzeige mit
angemessener Frist, d.h. wenigstens zwei Monate vor Wirksamwerden der Änderungen. Die
Änderungsanzeige des Maklers enthält zudem eine Gegenüberstellung von angebotener und geltender
Regelung, wenn die angebotene Änderung an die Stelle einer zuvor geltenden Regelung tritt. Der
Makler belehrt den Mandanten in seiner Änderungsanzeige über die Zustimmungswirkung seines
Schweigens, den Grund der Änderung und die Folgen eines Widerspruchs.
(5) Widerspricht der Kunde der angebotenen Änderung binnen der angemessenen Frist, wird der
Vertrag mit den alten Geschäftsbedingungen fortgesetzt.
Wie groß der verbleibende Mehrwert solcher Gestaltungen für Sie ist, muss von Ihnen als
Versicherungsmakler*in individuell eingeschätzt werden. Mitunter kann es aber nicht schaden,
sich doppelt vor Umsetzungsaufwand und bürokratischen Hürden zu schützen, indem man versucht,
die Erklärungsfiktion zumindest mit einem kleineren Anwendungsbereich aufrechtzuerhalten. Ein
latentes Unwirksamkeitsrisiko verbleibt natürlich vorbehaltlich einer weiteren
höchstgerichtlichen Klärung durch den BGH.
Wenn Sie nicht widersprechen, sind Sie einverstanden!
Herzliche Grüße!